1901 kaufte Olof von Lindequist das Rittergut Grabow aus Wulffen’schem Bestiz. Die von Wulffen, alteingessen in Grabow und Umbgebung, waren wohl erste Bestizer des Rittergutes Grabow und errichten 1713 auf dem Hügel neben der 946 erstmals erwähnten Wasserburg das Herrenhaus. An sie erinnert das Wappen mit dem Wolf im Innenhof über dem Tor.
Der Name Lindequist verrät schwedische Herkunft. Aus Schweden kommend, siedelte die Familie 1720 auf Rügen, wo Olof 1853 geboren wurde und aufwuchs.
Nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften sowie des Forstfachs in Hannoversch-Münden wurde er in den kaiserlichen Hofjagdrevieren Jäventiz und Letzlingen Forstmeister. Mit seiner Pensionierung erwarb er das Rittergut und zog nach Grabow. Er findet ein renovierungsbedürftiges einst heiteres, barockes Herrenaus, umgeben von abgewirtschafteter Land- und Forstwirtschaft vor.
Das Herrenhaus wird umgebaut und mit weiβgetünchten Holzzäunen und –brücken versehen, die neben dem schweren Granit der roten Burgruine die barocke Leichtigkeit des Hauses betonen. Dahinter liegt der weite Hof mit Ställen und Scheunen in traditionellem Feldstein-, Fachwerk- oder Ziegelbau.
Im 225ha grossen Wald ensteht ein 50 Morgen grosser Park, einfach aber vielfältig – nicht der Park eines Landschaftsarchitekten, sondern der eines Forstmannes. Über 50 zum Teil seltene Baumarten werden gepflanzt, wie Douglasie, Hemlocks- und Coloradotanne, Lebens- und Tulpenbaum, Ginkgo, Magnolie, Rhododendron und viele mehr. Der aufmerksame Besucher findet noch heute einen kleinen Rest dieser Vielfalt. Ein Gedicht aus den Kriegsjahren um 1940 erinnert uns:
Morgen im Park
Von Nebeln umschart,
stieg mächtig und bleich
die Sonne im plötzlichen Glücke
Nun läuft auf dem zart
gefrorenen Teich
mit tändelnder Geste die Brücke
Der Tag is von Glas;
der Raubvogels Ruf
klingt hell an den gläsernen Dingen
Reif-silbernes Gras
wird heut vor dem Huf
des jagenden Herzens zerspringen
Die Landwirtschaft wird zunächst an wechselnde Pächter vergeben. 1938 pachtet Hans-Olof von Rohr, Enkel von Olof von Lindequist bzw. Sohn seiner Tochter Mechtild, den Betrieb. In wenigen Jahren entwickelt er auf 525 ha sandigen bis anlehmigen Boden einen Musterbetrieb. 7 Jahre später im Mai 1945 bringt der Krieg mit Vetreibung, Enteignung und Zerstörung das Ende. Ein Bericht des Direktors der Landwirtschaftbank Burg, E. Wallstab, vom 16.07.1945 stellt fest:
Im Auftrag des Landrats des Kreises Jerichow I begab ich mich am obigen Tage nach dem Rittergut Grabow, um die Oberaufsicht des Gutes zu übernehmen. Ich kenne Grabow seit vielen Jahren unter veschiedenen Pächtern und bin in der Lage, mir ein Bild zu machen, was die einzelnen aus dem Gut harausgewirtschaftet haben. Einen besonderen Aufschwung nahm Grabow, als Dr. Hans-Olof von Rohr, der Enkel des Herrn von Lindequist, das Rittergut übernahm.
Der verstärkte Anbau von Pflanzkartoffeln, Vermehrungsgetreide, Sämereien, Gemüse und die Pflege des Zwischenfruchtanbaus erbrachten für Grabow im Kreise Jerichow I eine führende Stellung. Gleichzeitig wurde der Viehbestand aufgebaut, so dass am Tag des Russeneinmarsches, dem 4. Mai 1945, folgender Bestand aufgezeichnte war
155 | Stück | Milchvieh einschl. Färsen |
140 | „ | Schweine |
700 | „ | Schafe |
22 | „ | Pferde und Fohlen |
10 | „ | Ochsen |
Auch der Maschinenpark war mit den modernsten Maschinen ausgerüstet. Man kann ohne Übertreibung behaupten, das das Rittergut Grabow nach Fläche berechnet ein Mehrfaches an Leistungen aufbrachte, was das gesamte Dorf ( 20 Erbhöfe ) aufzubringen vermochte. Ein Beweis mehr, dass die Zerschlagung einer gut geleiteten Grosswirtschaft für die Allgemeinheit auf keinen Fall zu verantworten ist. Die finanzielle Lage war einwandfrei und in völliger Ordnung. Das ist in kurzen Worten das Bild, was Grabow einmal war.
Nach dem 4. Mai, bzw. dem Tag der Übernahme durch mich, ergab sich dann folgendes Bild: Vom lebenden Inventar und Inventarstücken war nichts mehr vorhanden, auch nicht ein Hahn. Viehbestände von der Roten Armee beschlagnahmt und fortgetrieben, Vorräte, Saatgut, Maschinen und sonstiges Eigentum mitgenommen und geplündert, sämtliche Aufzeichnungen und Unterlagen sinnlos zerstört und vernichtet. Es wirkte geradezu erschütternd, einen solchen Hof zu betreten, auf welchem noch vor kurzer Zeit emsiges Leben pulsierte. Es war alles wie tot, und es gibt nur noch einen Weg – wenn die Möglichkeit besteht: von vorn anfangen.
Im Mai 1945 flieht die Familie von Rohr mit 5 Kindern und der Mutter Mechthild in das benachtbarte Niedersachsen, wo sie gemeinsam mit anderen Grabowern, den Familien Karpenkiel und Walter, eine neue Existenz aufbauen. 1946 stirbt Ella von Lindequist, die Frau des einstigen Besitzers, der in den Kriegsjahren starb. Sie wird in nächtlicher Stille neben Mann und Sohn auf dem kleinen Friedhof im Park zu Füssen des groβen Granitkreuzes beigestezt.
Die im August 1945 befohlende Bodenreform besiegelt das jähe Ende des Rittergutes Grabow. Die land- und forstwirtschaftliche Fläche wird in Kleinparzellen von 0,7 bis 5,57 ha zersiedelt und Neubauern überlassen.