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“Portrait in Noten” – Otto von Rohr

Otto von Rohr wurde am 24. Februar 1914 als Sohn des Rittergutsherrn Karl-Otto von Rohr in Berlin geboren. Seine Jugend verlief zunächst so, wie sich das für einen Sprössling aus besserem Hause geziemt: Er besuchte das Gymnasium und machte sein Abitur, um sich dann – so jedenfalls plantes es Vater von Rohr – auf die Verwaltung seines Erbgutes vorzubereiten. Begeistert war man in der Familie durchaus nicht, als Otto nach abgelegter Reifeprüfung mitteilte, er werde die Hochschule für Musik besuchen und habe sich bei Professor Weissenborn bereits angemeldet.

An der Hochschule war man sich von Anbeginn einig und sagte dem jungen Bassisten eine grosse Zukunft voraus – mancher der früheren Lehrer, an die Fehlerhaftigkeit der eigenen Voraussagen gewöhnt, mag erstaunt gewesen sein, dass diese Prophezeiung dann wirklich eintraf.

Sein Gesangsstudium beendete Otto von Rohr mit einem Opernabend der Berliner Musikhochschule im Frühjahr 1938 als Sarastro, und in derselben Partie begann er 1938 seine Bühnenkarriere an der Oper von Duisburg.

Otto von Rohr trat sein erstes Engagement unter schwierigen Bedingungen an: Er hatte in Duisburg die Nachfolge des renommierten und sehr populären Bassisten Robert von der Linde anzutreten, der an die Berliner Staatsoper verpflichtet worden war. Aber Intendant Georg Hartmann und Generalmusikdirektor Heinrich Hollreiser wussten den Anfänger klug zu führen und vorsichtig auf seine vielseitigen Aufgaben der buffonesken wie auch seriösen Basspartien des deutschen, italienischen und slawischen Opernrepertoires vorzubereiten. Als von Rohr 1941 and die Stuttgarter Oper verpflichtet wurde, bedauerte das Duisburger Publikum sein Weggehen ebenso sehr wie seinerzeit das Scheiden Robert von der Lindes. Als Daland verabschiedete sich Otto von Rohr von seiner ersten Wirkungsstätte.

Stuttgart besaß in den vierziger Jahren eines der homogensten Opernensembles des deutschen Sprachraumes – Ging er als an anderen Bühnen, bis in die siebziger Jahre hat sich hier trotz negativer Einflüsse der allgemeinen Entwicklung des deutschen Opernbetriebes eine Art Ensemblegeist halten können. Die Wagner-Aufführungen der Württembergischen Staatstheater waren so berühmt, dass es mehrfach Gesamtgastspiele dieser Bühne in London, Edinburgh und in mehreren italienischen und französischen Städten gab. 1957 gastierte das Ensemble mit Wagners „Ring“ bei den Maifestspielen von Florenz.

Ende der siebziger Jahre zog sich Otto von Rohr ins Privatleben zurück. Er war der letzte Künstler des Ensembles, das unter der Führung Walter Erich Schäfers, Ferdinand Leitners und zum Teil Wieland Wagners die Stuttgarter Oper zu einer der ersten Musikbühnen Europas gemacht hatte.

Am 15. Juli 1982 ist er im Alter von 68 Jahren gestorben.

Von Rohr war mehr als nur schwarzer Bass, obwohl ihm gerade die exponierten Tiefen mühelos zur Verfügung standen. Aber auch zur Höhe kannte er keine Schwierigkeiten. Dennoch ist er nie, wie zahlreiche Fachkollegen, der Versuchung erlegen, auch Heldenpartien in sein Repertoire aufzunehmen.

Seine gesangliche Darstellung lebte durch die Beweglichkeit seiner Stimmführung, die ihn in die Lage versetzte, die gewichtigen Partien der Wagner- und Verdi-Opern mit derselben Virtuosität zu interpretieren, wie die gemütvollen Vaterfiguren der deutschen Spieloper, die zwielichtigen Bass-Intriganten der slawischen Opernliteratur oder die komödiantischen Buffo Figuren Rossinis, Donizettis und Mozarts.

(Auszug aus einer Sendung des Senders Freies Berlin anlässlich seines 10. Todestages)